Stichwort „Hochsensibel“

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QUELLE: http://www.mein-achtsames-ich.de

Tania Konnerth:
Mein achtsames Ich erwachte in meiner dunkelsten Stunde. Es war eine Zeit, in der mein bisheriges Leben in Trümmern lag. Ich hatte noch gerade genug Kraft mich von einem Atemzug zum nächsten zu hangeln, als sich etwas in mir zu regen begann: der Impuls, mich endlich (endlich!) mir selbst zuzuwenden.

Der allererste Gedanke dieses Neuen war der:

„Ich darf sein.“

Und mit diesem Satz schlug ich einen neuen Weg ein. Ich hörte damit auf, im Außen nach Lösungen oder gar der Erlösung zu suchen. Ich hörte damit auf, mir die Frage zu stellen, was das Richtige ist. Ich hörte damit auf, mich auf andere auszurichten, sondern ich wandte mich mir selbst zu.

Ich stellte mir selbst zum ersten Mal die Frage:

„Was brauchst du wirklich?“

Und ich fand Antworten. Antworten, die mich erst in winzig kleinen, dann aber auch in großen Schritten in ein Leben führten, das mir so viel mehr entspricht als mein vorheriges. Ein Leben, das mich erfüllt und vor allem satt macht. Ein Leben, in dem ich geben kann, weil ich zu nehmen gelernt habe. Ein Leben, das mich immer achtsamer werden lässt – mir selbst, aber auch anderen gegenüber.

Es war natürlich nicht so, dass ich gleich von einem Tag auf den anderen mit einem Schlag achtsam mir selbst gegenüber war. Immer wieder  fiel ich in alte Muster. Muster, mit denen ich mich von mir abschnitt und doch wieder im Außen die Rettung erhoffte. Muster, die mich hart werden ließen und verbittert. Muster, durch die ich immer wieder auf die Nase fiel oder gegen Wände lief. Aber egal, wie weit ich mich von mir entfernte oder wie tief ich stürzte, ich konnte immer einen kleinen Zipfel meines achtsamen Ichs festhalten. Manchmal war es tatsächlich nur dieser winzige Zipfel, der mir blieb, aber immer öfter war es auch mehr: meine innere Stimme, mein Bauchgefühl, eine Gewissheit. Und ich hatte eine kleine Armee an guten Seelen an meiner Seite, die mir Kraft und vor allem Liebe schenkten. Die das, was da aus den Trümmern gefallener Fassaden hervorkroch, mit offenen Herzen in ihre Arme schlossen – mich.

Natürlich zweifelte ich immer wieder an mir, denn ich hatte mich viel zu oft selbst verraten. Aber ich bewies mir, dass ich bereit zum Lernen war. Bereit, mich zu verändern. Bereit, endlich ich zu sein. Und so wuchs langsam eine neue Vertrautheit. Das Leben antwortete auch auf meine kleinen Bemühungen und bestätigte mich. Endlich begann ich wieder, mich selbst zu spüren. Ich musste ganz neu lernen herauszufinden, wer ich bin, was mich ausmacht, was meins ist. Seitdem weiß ich für mich, dass die Frage nach unseren Zielen, also nach dem, was wir wollen, einen vollkommen in die Irre führen kann, wenn man zuvor nicht herausgefunden hat, wer man wirklich ist. Denn ich bin nicht allein damit, dass unser Wollen oft vor allem beinhaltet, jemand anders sein zu wollen und das führt zu so viel Schmerz und Lebensleid.

Heute weiß ich, dass mein achtsames Ich das Kostbarste ist, das ich habe. Und nie wieder möchte ich es verlieren. Jeden Tag neu, ja, manchmal auch in jedem Moment neu, bin ich dabei, den Kontakt zu mir nicht zu verlieren. Mich nicht wieder ablenken zu lassen von schillernden Zielen anderer, von Bildern, denen ich gerne entsprechen würde, von Leitlinien, die ich glaube erfüllen zu müssen. Mich immer wieder mit dem zu verbinden, was in mir ist und was mich ausmacht.

Ich habe ein kleines rotes Herz in mir gefunden. Dieses kleine rote Herz steht für mein urinnerstes Ich, für das, was ich bin und zu geben habe. Es ist mein lebendiges, liebendes Ich. Ich habe es immer geschützt, es ist nie zerstört worden. Aber ich habe es oft so weit weg geschickt, so tief verbuddelt und so gut verborgen, dass ich drohte, es zu vergessen. Dieses kleine rote Herz wächst, wenn ich ihm Liebe schenke, es lieben lasse und es sich zeigen und vor allem geben darf. Es wächst dann und hüpft und singt. Dieses rote Herz schenkt mir meine Flügel, die ich fast zu nutzen vergessen hatte und es schenkt mir eine unbändige Freude auf das Leben. Sie finden das kleine rote Herz im Logo dieses Angebots.

„Mein achtsames Ich“ ist auf der verbrannten Erde gewachsen, die ich komplett umgepflügt und neu bestellt hatte. Zunächst gab es nur meine Website taniakonnerth.de, eine kreative Spielwiese, auf der ich neben meinen Fotos und Gedichten immer auch einige meiner Gedanken mit meiner Leserschaft teilte. Während ich früher für über 100.000 Leser/innen schrieb, wurde ich nun von sehr, sehr viel weniger Menschen gelesen. Gleichzeitig aber bekam ich so viele liebevolle, nährende und bereichernde Rückmeldungen von genau diesen Lesern/innen, dass ich spürte, dass es Sinn macht, weiter zu schreiben – und zwar einfach über mich, über das, was ich erlebe, fühle und für mich herausfinde. Ich weiß ja auch nichts besser als Sie, aber Sie haben mir immer wieder zurückgemeldet, wie hilfreich es ist, wenn ich über mein Suchen und Ringen, mein Finden und Fühlen, meine Gedanken und Erkenntnisse und vieles mehr schreibe. Und genau das möchte ich hier nun weiterführen und freue mich schon jetzt auf alle Kontakte und Begegnungen, die dadurch entstehen.

Lassen Sie sich also einladen, sich für das Thema „Achtsamkeit“ zu öffnen und begeben sich Sie sich auf die Suche nach Ihrem einzigartigen achtsamen Ich. Denn sich zu erlauben, wirklich man selbst zu sein, ist das, was sich für mich als die weit geöffnete Tür zu einem aufregenden, bunten, erfüllenden und uns wirklich entsprechenden Leben herausgestellt hat. Und als Lesetipp steigen Sie am besten mit diesem Artikel in das Thema ein.

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Meine Achtsamkeit hat mich dahin geführt, mich selbst immer klarer zu erkennen und mich selbst besser zu verstehen. Sanft, aber sehr bestimmt, werde ich nun darauf gestoßen „hochsensibel“ zu sein. Und da auf meine bisherigen Blogbeiträge dazu sehr berührte und berührende Rückmeldungen kommen, möchte ich das Thema Hochsensibilität einmal etwas ausführlicher beleuchten.

Sie werden hier allerdings keine wissenschaftliche Abhandlung über das Phänomen Hochsensibilität finden, dazu habe ich Ihnen am Ende des Textes einige Links und Literatur zum Thema aufgeführt. In Sachen Forschung ist vor allem die amerikanische Professorin und Psychotherapeutin Elaine N. Aron zu nennen, die die Hochsensibilität überhaupt erst ins Gespräch brachte. Sie geht übrigens davon aus, das 15-20% der Bevölkerung hochsensibel sind (und interessanterweise gibt es dieselbe Verteilung auch bei Tieren; die Evolution scheint also durchaus Sinn in der Existenz von hochsensiblen Individuen zu sehen…).

Ich bleibe für diesen Artikel lieber, wie gewohnt, bei mir selbst und schreibe über meine Erfahrungen, Wahrnehmungen, Gedanken und über meinen persönlichen Weg. Dieses „Mein-Ding-machen“ begleitet mich schon so lange ich denken kann und das obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – ich mich genauso lang immer schon auf andere ausgerichtet habe. Ich bin gleichsam immer zweigleisig gefahren:

  • Sehr früh spürte ich, „anders“ zu sein und anders war für mich gleichbedeutend mit „Gefahr“. Denn, anders zu sein, hätte Konflikte erzeugen, Ablehnung hervorrufen und letztlich Ausgrenzung bedeuten können. Für ein Kind kann das tatsächlich lebensbedrohlich erscheinen. Ich entschied also, mein Anderssein für mich zu behalten und möglichst nur heimlich so zu sein. Statt dessen setzte ich mir das Ziel, die Erwartungen der Menschen um mich herum zu erfüllen, die ich mit meinen feinen Antennen sehr gut wahrnehmen konnte.
  • Heimlich war ich aber immer ich, denn ich liebte meine Art zu fühlen und die besondere Qualität meiner Wahrnehmung und meiner Empfindungen, wenn ich einfach zuließ, was in mir war. „Fliegen“ nannte ich das für mich und wenn ich fliegen konnte,  schrieb ich und malte – und lebte. Da das aber in einem sehr deutlichen Widerspruch zu einer ganzen Reihe von Erwartungen stand, denen ich mich gegenüber sah, flog ich irgendwann nur noch, wenn ich allein war. Ich hatte schon als Kind nie ein Problem damit gehabt, allein zu sein, denn dann war ich mit mir. Ich war nie einsam, wenn ich allein war (wohl aber oft unter Menschen…).

Das Kind bekommt einen Namen

Vor vielen Jahren las ich das Buch „Sind Sie hochsensibel?“ von Elaine N. Aron für eine Buchbesprechung. Das war mein erster Kontakt mit der Bezeichnung „Hochsensibilität“. Ich nahm damals durchaus wahr, dass das etwas mit mir zu tun hatte, aber ich konnte es zu diesem Zeitpunkt nicht zulassen, mich eingehender damit zu befassen. Also schrieb ich eine sachliche Rezension und dann verschwand das Buch im Regal. Es sollte viel Zeit vergehen und es sollte sehr viel mehr brauchen als ein Buch, um mir zu verdeutlichen, wie viel das Thema mit mir zu tun hatte…

Es gab verschiedene Gründe, warum ich mich dagegen wehrte, mich mit dem Begriff Hochsensibilität zu identifizieren. Zum einen hatte ich ja sehr lange und hart daran gearbeitet, möglichst „unauffällig“ mit meinem Anderssein zu sein – und das wollte ich beibehalten. Plötzlich so entblößt zu sein, überforderte mich. Zum anderen mag ich keine Schubladen. Heutzutage wird sehr schnell alles Mögliche zu „Syndromen“ gemacht, oder zu Süchten oder zu Krankheiten. Ich mag Differenzierung und keine Etiketten, denn sie verleiten dazu, vorschnell an Pauschallösungen zu glauben, anstatt nach individuellen Wegen zu suchen.

Tatsächlich aber kann es sehr hilfreich sein, Worte für etwas zu bekommen, das man zuvor nicht benennen kann und es kann enorm erleichtern, nicht allein zu sein, sondern zu erkennen, dass viele andere Menschen ganz Ähnliches teilen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich diesen Artikel schreibe – der andere ist der, dass ich jeden, der auf diese Art „anders“ ist, ermutigen möchte, seine Hochsensibilität nicht länger zu verstecken, sondern sie mehr und mehr als das leben zu können, was sie ist: etwas Kostbares.

Ja, ich bin hochsensibel

Heute weiß ich also: Ich bin das, was man hochsensibel nennt.

Ich nehme mehr, intensiver, detailreicher und auch anders wahr als viele andere Menschen. Ich kann Stimmungen und Gefühle anderer Menschen oft deutlich erspüren (nicht selten sogar klarer als meine eigenen). Ich empfinde viele Reize (wie Geräusche, Lichter, Gerüche usw.) als stärker als viele andere und bin deshalb zwangsläufig auch reizbarer. Ich nehme mir vieles viel mehr zu Herzen als andere Menschen. Kunst, Musik und Literatur können mich zutiefst und nachhaltig berühren und ich vermeide es, brutale Szenen oder Bilder anzuschauen, da mich diese grundlegend verstören können. Ich werde schneller müde als andere und mich kostet vieles mehr Kraft und Energie als andere. Ich brauche mehr Ruhe und Stille als andere, um regenerieren zu können. Wie andere Hochsensible hörte auch ich immer wieder Sätze wie: „Was du dir immer einbildest.“ oder „Du bist aber empfindlich.“ oder „Spaßbremse!“ Dafür fiel es mir nie schwer, mich inspirieren und begeistern zu lassen, und ich kann überall Interessantes, Faszinierendes und Wundervolles entdecken. Ich habe vielfältigste kreative Ausdrucksmöglichkeiten meiner Empfindungen und kann Dinge benennen, für die andere oft keine Worte finden.

Anders = falsch?

Ich hatte früher keinen Namen dafür und ich war mir sicher: Es kann nicht gut sein, wie ich bin – zumindest dann nicht, wenn ich mit anderen zusammen war. Es machte mich anders, machte mich unverständlich für andere, ließ mich immer wieder erkennen, dass ich irgendwie „falsch“ war.  Ich mit mir allein konnte hingegen genießen, was mir meine Hochsensibilität schenkte: tiefe Empfindungen, eine knallbunte Welt voller Gefühle und kostbarer Gedanken, Ideen ohne Ende und eine so unerschütterliche Lust auf Leben, die mich selbst durch die dunkelsten Zeiten wie ein Licht leitete.

Mehr als dankbar bin ich dafür, dass ich mir von klein auf an, regelrechte Inseln für mein Ich-Sein erschafft habe: Zeit mit mir allein, in der ich sein konnte, wie ich war und tun konnte, was ich wollte, ohne Bewertungen, ohne Angst, ohne Grenzen. Ich nährte so etwas wie einen Garten in mir, in den ich immer wieder zurückkehrte und der eine wahre Wunderwelt enthielt. Ich fand diese Welt wunderschön und schützte sie. Ich zog Grenzen darum herum, versteckte sie gut und ließ kaum jemanden dorthin. Allenfalls, was ich erntete, brachte ich manchmal mit: meine Lyrik, meine Fotografie, meine Bilder und anderes mehr. Hochsensibel zu sein ist für mich ganz persönlich immer auch ein Geschenk gewesen, obwohl ich es zu verbergen versucht habe.

Irgendwann zermürbte mich das Weltenwandeln. Es kostete immer mehr Kraft, nicht so zu sein, wie ich eigentlich war, es wurde immer anstrengender und auch frustrierender, mich „falsch“ zu fühlen und Erwartungen anderer zu erfüllen, ohne dabei das zu bekommen, was ICH brauchte (kein Wunder: ich war ja gar nicht da!). Ich verhungerte innerlich.

Als ich das zu ändern versuchte, passierte tatsächlich das, was ich immer befürchtet und so verzweifelt zu vermeiden versucht hatte: Ich wurde abgelehnt. Große Teile meines so mühsam aufgebauten Lebens stürzten zusammen und es blieb nur wenig davon übrig, scheinbar jedenfalls. Denn was tatsächlich übrig blieb, war ICH. Und auch wenn diese Phase die schmerzhafteste meines Lebens war, so war genau das das Beste, was mir passieren konnte. Was ich nämlich vor allem verlor, war ein Leben, in dem ich glaubte, meine Hochsensibilität verstecken zu müssen. Was ich hingegen geschenkt bekam, war eines, in dem ich nun endlich lernen kann, wirklich ICH zu sein.

Meine Hochsensibilität leben

Alte Muster lassen sich selbst durch heftige Lebenskrisen nicht einfach ablegen und so bin ich bis zum heutigen Tag dabei, mich von ihnen zu lösen, um mich endlich mich selbst sein zu lassen, um mich mit meiner Hochsensibilität wahr- und anzunehmen und diese Besonderheit bewusst und aktiv zu leben. Ich erkenne: Sie schenkt mir so viel und ich kann durch sie auch selbst viel schenken.

Ich möchte mein Ja zu mir nicht länger nur allein, sondern auch mit anderen leben. Mit Menschen, die mein Sein lieben, die genau das wollen und denen ich etwas geben kann durch mein Sein, denn, ja, ich habe viel zu geben.

Für all das brauche ich meine Achtsamkeit, also die Fähigkeit wahrzunehmen, was ist: wo ich eigentlich gerade bin, was ich fühle, was meins ist und was das von anderen, was ich brauche und was nicht. Für all das brauche ich MICH. Mich mit allem, was zu mir gehört – vor allem eben auch mit meiner Hochsensibilität.

Und indem ich mich so zeige, möchte ich Sie alle ermutigen, auch Sie selbst zu sein – ob hochsensibel oder nicht!

Literatur und Links

Hier habe ich einige Links für Sie zur Hochsensibilität zusammengestellt:

Und hier findenSie noch einige Bücher.

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