Wirtschaftskrieg: USA schaden Russland und Europa

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Michael Brückner

Seite an Seite zeigen sich Amerikaner und Europäer, wenn es um Sanktionen gegen Russland geht. Und die Mainstreammedien hetzen kräftig mit. Dabei treffen die Maßnahmen nicht nur Russland, sondern vor allem auch die EU. Die US-Konzerne haben in diesem perfiden Wirtschaftskrieg nicht viel zu verlieren. Die europäischen Unternehmen schon.

Der 5. Februar 2003 war ein trüber Tag in New York. Und zwar nicht nur meteorologisch. Es war auch ein dunkler Tag für die politische Glaubwürdigkeit der US-Regierung. Im Weltsicherheitsrat derUN wurde gelogen, dass sich die Balken bogen. Von mobilen Labors zur Herstellung von Giftgas im Irak war da die Rede. Von »Yellow Cake«, einem Rohstoff zur Anreicherung von Uran. 

Dreist wurde die Weltgemeinschaft an der Nase herumgeführt, denn keiner dieser Beweise erwies sich als stichhaltig. Es handelte sich um reine Geheimdienst-Propaganda. In der Hauptrolle: der damalige US-Außenminister Colin Powell, der später diesen Auftritt als »Schandfleck« seiner Karriere bezeichnen sollte.




Es blieb aber nicht nur beim »Schandfleck«. Die unglaubliche Märchenstunde imUN-Sicherheitsrat lieferte die angebliche Rechtfertigung für den Irakkrieg mit den bekannten Folgen.

 Nun hören wir von »erdrückenden Indizien«, wonach Russland im Allgemeinen und Präsident Putin im Besonderen für den Abschuss des Malaysian-Airlines-Fluges MH 17 mitverantwortlich seien. »Wie man jetzt so gut wie sicher weiß, wurde Flug MH 17 mit Raketen aus russischen Beständen abgeschossen, die ohne Billigung Putins kaum in die Ukraine gelangt wären«, stellt der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe fest.

Das liefert dem Magazin offenbar die Rechtfertigung für den Cover-Titel »Stoppt Putin jetzt«. Einen Imperativ, den man durchaus als Beitrag zur Kriegstreiberei verstehen könnte. Viele Leser haben das offenkundig auch so wahrgenommen, jedenfalls folgte ein wahrer Proteststurm in den sozialen Netzwerken. Für die Redaktion war die Sache klar.

 Dahinter hätten »auch organisiert auftretende, anonyme User« gesteckt, »die schon seit Monaten jegliche Kritik an Russland mit einer Flut an Wortmeldungen in den Foren vieler Online-Medien kontern«, schreiben die Hamburger Magazin-Journalisten auf Spiegel Online.

Heute geht es nicht um einen heißen Krieg gegen den Irak, sondern um das, was François Schaller, Chefredakteur der Genfer Zeitung L’Agefi, als »eine Vorwegnahme des Krieges mit anderen Mitteln« bezeichnet. Und zu diesen »anderen Mitteln« gehören offenkundig Wirtschaftssanktionen.

 Vorausgegangen war ein verbissener Propagandakrieg, der seinen ersten Höhepunkt während der Olympischen Winterspiele in Sotschi erreichte. Damals ging es angeblich noch um Schwule. Immerhin erschien dem Bundespräsidenten der Vorgang so gravierend, dass er in einem einmaligen Affront seine Anwesenheit bei diesem internationalen Sport-Event absagte. Das freilich war nur der Auftakt. 

Nun beginnen deutsche Politiker, die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland infrage zu stellen. Allen Ernstes wird sogar der künftige Chef der Münchner Philharmoniker ins Visier derHetzer genommen. Neu ist das nicht, schon Ende vergangenen Jahres protestierten Schwule und Lesben gegen den russischen Musiker. Grund: Er unterstützt angeblich Präsident Putin.

 Und nun muss ein mehr als mysteriöser Flugzeugabsturz, dessen wirkliche Ursache bislang noch niemand kennt, als Rechtfertigung für umfassende Wirtschaftssanktionen gegen Russland dienen. Sanktionen, die obendrein vor allem die Europäer treffen. Besonders die deutsche Chemie- und Automobilindustrie. Experten gehen davon aus, dass der russische Automarkt in diesem Jahr um mindestens 14 Prozent einbrechen wird. Ausgerechnet Opel, mit viel Geld vor der Pleite gerettet, dürfte am stärksten unter den Sanktionen leiden.

Als Folge der finanziellen Maßnahmen gegen Russland könnten am Bankenplatz London bis zu 2000 Jobs verloren gehen. Auch der Energiekonzern BP sieht schwierigen Zeiten entgegen, immerhin hält das Unternehmen einen Anteil von 20 Prozent am russischen Ölgiganten Rosneft.Einzig Frankreich darf die von Moskau bestellten Kriegsschiffe an Russland liefern. Offenkundig befürchtete die EU, die im Raum stehenden Strafzahlungen könnten die am Rande der Pleitelavierende Grande Nation in zusätzliche Kalamitäten bringen.

Besonders betroffen von den Sanktionen gegen Russland sind überdies kleine Länder wie die Schweiz und Österreich. Die Eidgenossen müssen die Maßnahmen mittragen, obwohl sie nicht der EU angehören. In Bern fürchtet man ansonsten neue Strafmaßnahmen der USA gegen Schweizer Banken. Auch deutsche Banker zittern vor Washington und fahren seit Wochen ihr Russlandgeschäft stark zurück.

Dennoch – die Europäer handelten mit ihren gegen Russland verhängten Sanktionen sozusagen in vorauseilendem Gehorsam. Einen möglichen Grund dafür nennt ausgerechnet der Spiegel in seiner Anti-Putin-Nummer.

Darin wird Heather Conley, die Europachefin der so genannten Denkfabrik Center for Strategic & International Studies in Washington, mit folgenden Sätzen zitiert: »Wenn die Europäer bei Sanktionen nicht Schritt halten, könnten sie durch die Hintertür dazu gezwungen werden, weil US-Behörden sonst Strafmaßnahmen verhängen könnten, sollten EU-Firmen weiter mit geächteten russischen Finanzinstituten zusammenarbeiten.«

Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch eine schon vor mehreren Monaten vorgenommene Untersuchung der Unternehmensberatung IBISWorld. Danach beträgt der Anteil der Russischen Föderation und der Ukraine am gesamten Handelsvolumen der USA gerade einmal 1,1 Prozent. Mit anderen Worten: Während die europäischen Unternehmen leiden, stecken die US-Konzerne den Ausfall locker weg. 

Washington kann für den Moment zufrieden sein: Die Wirtschaftssanktionen treffen Russland als einen der wichtigsten BRICS-Staaten. Und gleichsam im Nebeneffekt wird auch Europas Wirtschaft geschwächt. So etwas nennt man dann wohl »Globalisierung«. Jene, die Sanktionen einsetzten, machten es, weil sie die Macht und Gewalt auf ihrer Seite wüssten, stellt der bereits zitierte Schweizer Journalist François Schaller goldrichtig fest.

quelle: kopp-verlag.de