Die Corona-Angst und die kommende Wirtschaftsdepression

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Der Absturz an der Wallstreet zwischen dem 20.Februar und dem 23. März 2020 um etwa 33 Prozent1 ist wirtschaftsgeschichtlich einzigartig, was Geschwindigkeit und Wucht angeht. In den letzten 100 Jahren gab es keinen solch starken Absturz in solch kurzer Zeit. Um die Panik an den Börsen heute zu verstehen, kann ein Blick auf die Panik von 1907 erhellend sein.

Von März bis November 1907 stürzten die Aktienkurse an der Wall Street um etwa 37 Prozent ab.2 Die Folgen der Finanzpanik für die Realwirtschaft weltweit waren katastrophal. Die US-Produktion sank von Mai 1907 bis Juni 1908 um 11 Prozent, die Zahl der Insolvenzen stieg innerhalb eines Jahres um 47 Prozent, und die Arbeitslosenrate verdreifachte sich in den USA von 2,8 auf 8 Prozent.3 Angesichts der damals praktisch nicht existierenden sozialen Absicherungsmechanismen bedeutete dieser Wirtschaftsabschwung Elend, Not und Hunger für Millionen von Menschen weltweit.4

Von dem Crash 1907 haben sich die Börsen über zwei Jahrzehnte nicht erholt. Sieben Jahre später kam es zum Ersten Weltkrieg. Übrigens kam es auch nach dem Ende des nächsten großen Börsencrashs von 1929 bis 1932 ziemlich genau sieben Jahre später zum Krieg.

Christian Kreiß 31.3.2020

Stehen uns möglicherweise ähnliche ökonomische und politische Entwicklungen in den kommenden Jahren bevor? Kommt in den nächsten Monaten ein massiver Wirtschaftsabsturz, gar eine Wirtschaftsdepression mit einem Heer von Arbeitslosen? Und anschließend vielleicht sogar Krieg?

Um diese Frage zu beantworten möchte ich zuerst einen Blick auf die Ursachen der Börsen- und Finanzkrise von 1907 werfen. Nach Aussage von drei Zeitgenossen5 wurde die damalige Weltwirtschaftskrise von John Pierpont Morgan und seinem Banken- und Industrieimperium aktiv und bewusst herbeigeführt. Und das ging folgendermaßen.

John Pierpont Morgan besaß vor Ausbruch der Krise 141 Banken und 36 große Eisenbahn- und Industriekonzerne.6 Im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1907 vergaben die Morganbanken großzügig Kredite, von denen der größte Teil eine Laufzeit bis zum 22. August 1907 hatte. Parallel dazu verkaufte JP Morgan bis Sommer 1907 nicht-strategische Aktien zu sehr guten Preisen, da die Aktienkurse seit 1903 stark gestiegen waren. Am 22. August 1907 verweigerten die Morganbanken die Verlängerung der Kreditlaufzeiten und ein Bankrun, begleitet von einer nachfolgenden Panik, setzte ein.7

Der Höhepunkt der Banken- und Börsenpanik war von 21. bis 23. Oktober. Am 24. Oktober 1907 stellte JP Morgan einen Kredit über 10 Millionen Dollar zur Verfügung und sorgte so für ein Ende der Börsen- und Bankenpanik. Daher wird John Pierpont Morgan auch heute noch vielfach als der Retter des Vaterlandes und Retter aus der Krise bezeichnet.

Durch den Crash und die Panik profitierte JP Morgan zweifach: Zum einen wurden unliebsame Konkurrenten in den Konkurs getrieben, zum anderen konnten im Laufe des Börsencrashs zu sehr niedrigen Kursen in großem Stile billig Aktien aufgekauft werden, so dass JP Morgan nach der Krise äußerst hohe Gewinne und einen massiven Machtzuwachs erzielte8: 1913 kontrollierten JP Morgan und Rockefeller 341 Großunternehmungen bzw. 20% des US- Volksvermögens.9

In der gängigen Wirtschaftsgeschichtsschreibung10 wird einseitig fast nur der zweite Teil, die Rettung des Bankwesens, sowie JP Morgan als Wohltäter geschildert. Es soll gar nicht bestritten werden, dass John Pierpont Morgan stark als Wohltäter in der Öffentlichkeit auftrat, indem er seine Episkopal-Kirche, Schulen und Spitäler unterstützte, Universitäten Zuwendungen zukommen ließ sowie als feinsinniger Kunstliebhaber auserlesene Kunst- und Buchsammlungen besaß und der Öffentlichkeit stiftete.

Doch woher stammten die finanziellen Mittel für seine Wohltätigkeit? Aus einem "Gaunerstreich".11 Diese einseitige Geschichtsdarstellung verzerrt die Wirklichkeit bis heute massiv zu Gunsten des Großvermögensbesitzers. Das dürfte stark an den Zuwendungen Morgans an die Universitäten liegen. So beeinflusst man langfristig die Geschichtsschreibung am wirksamsten.

Interesse an Wirtschaftskrisen

Und so stellt sich die Frage: Wie sieht es denn heute mit den Machtinteressen aus? Ein Blick auf die Finanzkrise von 2007 zeigt beeindruckend, dass es auch vor gut 10 Jahren Kreise und Institutionen gab, die aus Zusammenbrüchen hohe Gewinne erzielten. Zum Beispiel wurden einige Short-Spekulanten an dem Aktienabsturz und anschließenden Zusammenbruch der Investmentbank Lehman im September 2008 sehr reich.

Auf heute übertragen heißt das: Nicht alle am Wirtschaftsgeschehen Beteiligten haben ein Interesse daran, eine große Wirtschaftskrise zu vermeiden. Es gibt durchaus Kreise oder Institutionen, die aus möglichen Zusammenbrüchen Gewinne erzielen. Beispielsweise dürften einige Hedge- Fonds nicht nur auf sinkende Aktienkurse wetten, sondern über Credit Default Swaps (CDS) auf sinkende Kurse von Staatsanleihen spekulieren. Bei Staatsbankrotten winken dann riesige Gewinne. Für manchen Spekulanten wäre ein Kollaps eines Landes geradezu ein Traum. Es gibt heute, genau wie 1907/08 und 2007/08 durchaus starke Kräfte, die auf einen Wirtschaftsabschwung oder gar Depression spekulieren, um davon zu profitieren. Die zentrale Frage ist: Wie einflussreich sind diese Kräfte heute?

Dabei gilt ähnlich wie für JP Morgan damals für einige Spekulanten heute die Devise: Je größer die Depression, desto höher die Gewinne. So kann man sich also fragen: Wie könnte man eine kommende Krise so richtig tief und schlimm machen? Nach dem Motto: Lieber einen Wirtschaftsabschwung von 20 Prozent als nur einen von fünf Prozent. Lieber 25 Prozent Arbeitslosigkeit als mickrige 15 Prozent.12 Kurz: Wie schafft man es, einen Wirtschaftsabschwung so stark wie möglich zu machen, einen "perfekten Sturm" wie man an den Börsen sagt, herbeizuführen? Das Ziel ist klar: Je stärker der Abschwung, desto mehr Konkurrenz kann man ausschalten, desto höhere Gewinne gibt es und desto fester hält man hinterher die Zügel in der Hand.

Voraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass man selbst für die Krise gut gewappnet ist. Das wichtigste Mittel dafür sind riesige Cash-Bestände. Cash is king: das gilt für jede Krise. Ein anderes hilfreiches Mittel sind gute politische Beziehungen, wie die Finanzkrise 2007/2008 gezeigt hat. Damals ist Lehman von dem amtierenden Finanzminister, der vorher Chef von Goldman Sachs, also einem erbitterten Konkurrenten von Lehman war, nicht gerettet worden. Seither gibt es diesen Konkurrenten für Goldman Sachs nicht mehr.

Also: Wie kann man die Krise möglichst heftig gestalten? Und hier kommt Corona ins Spiel: Man kann dieses Virus für seine Zwecke nutzen. Ich behaupte nicht, dass das Corona-Virus von Verschwörern gezüchtet und in Umlauf gebracht wurde oder dass seine Ausbreitung gefördert wurde.

Aber was man machen kann, wenn man einflussreich ist, viel Geld und gute Kontakte zu Medien und Politikern hat, ist folgendes. Man kann sich als kleine Macht- und Finanzelite die Frage stellen: Was nützt unseren Zwecken mehr? Wenn man die Folgen des Corona-Virus in den Medien milde und ausgewogen darstellt oder wenn man die Auswirkungen des Corona-Virus dramatisiert oder gar eine öffentliche Angst- und Hysteriestimmung fördert? Die Antwort ist einfach: Je stärker die gesundheitliche Angst in breiten Teilen der Bevölkerung geschürt wird, desto stärker werden die Politiker unter Druck gesetzt, dramatisch zu handeln.

An China konnte man den möglichen Umgang mit dem Virus sowie die möglichen Auswirkungen von politischen Maßnahmen auf die Ökonomie ja eine ganze Weile gut studieren. Da hat sich gezeigt: Wenn es zu Betriebsschließungen und Abriegelungen kommt, führt das zu einem drastischen Angebotsschock und zur Unterbrechung von Lieferketten. Auf der Nachfrageseite führen Ausgangssperren, Abriegelungen und Zwangsquarantäne zu einem katastrophalen Nachfragezusammenbruch. Man kann sich also ausrechnen: Erzeugen wir beides, einen Angebots- und vor allem einen Nachfrageschock, und ist die Nachfrage erst einmal gründlich zusammengebrochen sowie eine starke Abwärtsspirale in Form eines großen Firmensterbens in Gang gesetzt, dann ist die Chance auf einen richtig üblen, durch Notenbanken und expansive Fiskalpolitik nicht mehr aufhaltbaren Wirtschaftscrash nicht schlecht.

Kurz: Man konnte sich leicht ausrechnen, dass es durch systematisches Schüren von Angst und Hysterie über das Corona-Virus in den Mainstreammedien zu Aktionismus von Politikern kommen dürfte, dann zu einem Nachfragekollaps und zuletzt zu einer ordentlichen Wirtschaftsdepression, von der man gewaltig profitieren kann - nach dem Vorbild von JP Morgan 1907, wo das ja auch bestens geklappt hat. Übrigens war auch damals die Presse nicht ganz unwichtig. Sie erging sich zu JP Morgan in Lobhudeleien. Viel zu groß war die Angst der Journalisten vor negativer Berichterstattung.13

Die Medien zu beeinflussen ist für mächtige Menschen nicht besonders schwer. Die allermeisten Privatmedien in der westlichen Welt sind in der Hand von wenigen Dutzend sehr reichen Familien, in Deutschland sind es etwa sieben. Man kennt sich im Establishment, tauscht sich freundschaftlich aus, hat gute Kontakte zur Politik und den Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender. So kann man besonders ängstliche und warnende Mediziner zu Meinungsführern machen. Virologen und Ärzte, die der Corona-Ausbreitung gelassener gegenüberstehen - und davon gibt es eine ganze Menge14 -, kommen de facto nicht mehr zu Wort oder werden von den Mainstreammedien herabgesetzt, selbst wenn sie ausgewiesene Experten sind. Es geht ungemein stark um Emotionen.

Die ganze geschürte kollektive Angststimmung vor dem Corona-Virus findet auf dem Hintergrund einer wirtschaftlich sehr labilen Lage statt. In den letzten etwa 40 Jahren ist die Ungleichverteilung fast auf der ganzen Welt stark gestiegen. Daher sind die Masseneinkommen deutlich langsamer gewachsen als die Investitionen bzw. die Produktion.

Industrielle Massenproduktion ist aber nur möglich bei Massennachfrage. Die Massennachfrage ist aber nur etwa zwei Drittel so stark gestiegen wie die Massenproduktion. Wir haben in der westlichen Welt also eine Überkapazität von etwa einem Drittel aufgebaut, gemessen an den real verfügbaren Masseneinkommen. Wie war das möglich? Der sich seit etwa 1980 ständig vergrößernde Keil zwischen Masseneinkommen und Produktion wurde durch immer höhere Schulden finanziert. Diese können nicht in vollem Umfang zurückgezahlt werden. Wir sehen also eine Schuldenblase, die nun vor einer Bereinigung steht. Die Situation erinnert fatal an diejenige von 1913 oder 1929.15

Es trifft also eine Schuldenblase, zu schwache Massennachfrage und eine Überkapazität von etwa einem Drittel auf eine medial erzeugte Corona-Massenhysterie und willige Politiker, die das öffentliche Leben und damit die Massennachfrage fast zum Stillstand bringen. Das ist eine extrem brisante Situation, börsentechnisch gesprochen: der perfekte Sturm.

Ich rechne daher mit schlimmen Zuständen, Plünderungen, Protesten und Aufständen, nicht nur in armen Ländern, sondern auch in Europa. Dem wird bereits heute durch die zunehmende Ausschaltung von Bürgerrechten und Ermächtigungsgesetze vorgebeugt. Ich rechne auch mit starken nationalen Konflikten innerhalb Europas und einem Zerbrechen des Euro. Das dürfte Europa in Chaos und Streit führen.

Cui bono? Wer hat den Nutzen aus dem kommenden Desaster? Ähnlich wie JP Morgan 1907 dürfte auch diesmal eine kleine Macht- und Finanzelite mächtig profitieren. Bündel heißt auf Italienisch "il fascio". Von da leitet sich der Begriff Faschismus her, die Bündelung von Macht bei einer kleinen Menschengruppe. Ich fürchte, wir stehen vor solchartigen Machtprozessen. Maskiert wird das alles durch teilweise hysterieartige Angst vor Krankheit, Infektion und Tod durch das Corona-Virus. Damit wird aber von etwas ganz anderem abgelenkt: Über das Herbeiführen einer möglichst gewaltigen und überfälligen Bereinigungskrise unsere Menschenrechte einzuschränken und die Demokratie auszuhöhlen - zu Gunsten der Macht von Wenigen.

Quelle: heise.de

Christian Kreiß ist Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Aalen.